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FOTO: KAPU­ZI­NER

Eingemauert im Kamin

Frrok (links), der jüngs­te Sohn von Gjergj The­kna, und sein Sohn Kris­to­fer zei­gen das Kreuz aus dem Kamin in der Kir­che St. Euf­e­mia in Breg

10. August 2023

Kreuz im Kamin: Mutig das Andenken bewahren

Alba­ni­sche Chris­tin­nen und Chris­ten haben in der Zeit des Kom­mu­nis­mus reli­giö­se Gegen­stän­de unter Ein­satz ihres Lebens ver­steckt. Heu­te sind die Objek­te wie­der für alle in der Kir­che St. Euf­e­mia zugänglich.

Sein Name ist Gjergj The­kna. Der muti­ge Alba­ner stammt aus dem Dorf Breg. Gjergj The­kna war schon immer eng ver­bun­den mit den Pries­tern, die in sei­ner Kir­che, in St. Euf­e­mia in Breg in Nord­al­ba­ni­en, Dienst taten. „Die­se Kir­che war über Jahr­hun­der­te der zen­tra­le Got­tes­dienst­ort für die gesam­te Regi­on. Aus vie­len Dör­fern kamen sonn­tags die Gläu­bi­gen zusam­men“, erzählt Br. Andre­as Wal­ter­mann, der seit über 15 Jah­ren als Kapu­zi­ner und Pries­ter in Alba­ni­en lebt.

Zwar gab es seit 1946 vie­le Repres­sa­li­en gegen die Katho­li­ken in der Gemein­de. Pries­ter und Ordens­leu­te wur­den verhaf­tet, in Straf­la­ger gesteckt oder getö­tet. Den­noch war der Glau­be unter den Chris­ten vor Ort stark und leben­dig. „1967 änder­te sich das radi­kal“, berich­tet der Kapu­zi­ner. „Kir­chen wur­den pro­fa­niert, abge­ris­sen oder zu Vieh­stäl­len, Sport­stät­ten, Kinos oder Lager­häu­sern umfunk­tio­niert. In Breg wur­de der Altar­raum weg­ge­sprengt und die Kir­che zu einer Schu­le gemacht.“

Gjergj The­kna ret­te­te in die­ser Zeit eini­ge Gegen­stän­de sei­ner gelieb­ten Kir­che St. Euf­e­mia vor der Zer­stö­rung: das Kir­chen­sie­gel, das sich jetzt im Diö­ze­san­mu­se­um befin­det, die alte, klei­ne Glo­cke von 1835, ein eiser­nes Kreuz, ein Eisen zum Backen von Hos­ti­en und die gro­ße Glo­cke von 1930.

Br. Andre­as ist von der Geschich­te des muti­gen Chris­ten beein­druckt. „Die Geschich­te des eiser­nen Kreu­zes ist beson­ders ein­drück­lich“, erin­nert sich der Ordens­mann. „Das eiser­ne Kreuz war wäh­rend der gan­zen Zeit des Kom­mu­nis­mus innen im Schorn­stein sei­nes Hau­ses ein­ge­mau­ert. Nur Gjergj und sei­ne Frau Dila wuss­ten davon. Bei den regel­mä­ßi­gen Haus­durch­su­chun­gen der Kom­mu­nis­ten wur­de es nie gefunden.“

Für einen Rosen­kranz in der Tasche konn­te man zu 25 Jah­ren Zwangs­ar­beit, zu Gefäng­nis oder gar zum Tode ver­ur­teilt werden.

Die Ehe­leu­te gin­gen ein hohes Risi­ko ein. Es gab unzäh­li­ge Spio­ne und Denun­zi­an­ten, die mit Block und Blei­stift alles Ver­däch­ti­ge notier­ten und mel­de­ten. Noch gefähr­li­cher wur­de der Ein­satz dadurch, dass der direk­te Nach­bar der stramms­te Kom­mu­nist des Dor­fes war. „Wenn man sie erwischt hät­te, wären sie sicher­lich erschos­sen und die gan­ze Fami­lie depor­tiert wor­den“, sagt Br. Andre­as. „Für einen Rosen­kranz in der Tasche konn­te man zu 25 Jah­ren Zwangs­ar­beit, zu Gefäng­nis oder gar zum Tode ver­ur­teilt werden.“

Die­ser Gefah­ren war sich Gjergj The­kna durch­aus bewusst. Er han­del­te den­noch. Bevor die Kir­che zer­stört und umfunk­tio­niert wur­de, konn­te der Alba­ner zusam­men mit sei­nem Bru­der Nikoll The­kna in einer Nacht- und Nebel­ak­ti­on auch die zwei Glo­cken unbe­merkt zu sich nach Hau­se bringen.

„Die klei­ne Glo­cke von 1835, die sie ret­te­ten, wur­de schon in der ers­ten Kir­che von Breg geläu­tet und hat eine lan­ge Geschich­te“, sagt Br. Andre­as. Sie wiegt 18,5 Kilo­gramm und zeigt die Jung­frau Maria mit dem Kind, Jesus am Kreuz und die hei­li­gen Apos­tel Petrus und Pau­lus. Die Glo­cke lag Jahr­zehn­te unter den Fuß­bo­den­bret­tern des Hau­ses des Ehepaares.

Die gro­ße Glo­cke von 1930, die 170 Kilo­gramm wiegt, und den hei­li­gen Sebas­ti­an, den hei­li­gen Johan­nes den Täu­fer und die hei­li­ge Mär­ty­re­rin Euf­e­mia, die Patro­nin der Kir­che, zeigt, ver­schwand unter einem gro­ßen Hau­fen von Gar­ten- und Feld­ab­fäl­len. 50 Jah­re blieb sie dort verborgen.

Jeder Glo­cken­schlag erin­nert an die Cou­ra­ge die­ser Chris­tin­nen und Christen.

„Direkt nach mei­nem Amts­an­tritt im Jahr 2009 haben wir über die ver­steck­ten Gegen­stän­de gespro­chen und dabei ent­stand die Idee, wie­der einen Kirch­turm zu bau­en“, erzählt Br. Andre­as. Nach der Fer­tig­stel­lung im Mai 2011 wur­den die Glo­cken dann über­ge­ben. Nun hängt die gro­ße Glo­cke wie­der im Kirch­turm von St. Euf­e­mia und ruft die Gläu­bi­gen, wie frü­her, zum Got­tes­dienst zusam­men. ­„Jeder Glo­cken­schlag erin­nert an die Cou­ra­ge die­ser Chris­tin­nen und Chris­ten“, sagt Br. Andreas.

Auch ande­re Gegen­stän­de wur­den dem deut­schen Kapu­zi­ner und Pries­ter in den letz­ten Jah­ren von Alba­nern anver­traut und kehr­ten damit an ihren alten Kirch­ort zurück. „Ich erin­ne­re mich gut, es war im Herbst 2014: Pashk Tota aus dem Dorf Vaus­hen­koll, das zu Breg gehört, brach­te mir nach einem Got­tes­dienst drei Gegen­stän­de, die in einer klei­nen Kis­te auf dem Dach­bo­den sei­nes Hau­ses ver­steckt waren“, erzählt Br. Andre­as. Der Alba­ner hat­te sie zufäl­lig dort ent­deckt. Es war sein Vater, der die zwei sil­ber­nen Ker­zen­stän­der und den klei­nen Kelch des Pries­ters Don Lec Sahatx­hia dort vor der Zer­stö­rung durch die Kom­mu­nis­ten bewahrt hatte.

Don Lec Sahatx­hia wur­de bei einem Got­tes­dienst, den er heim­lich mit eini­gen Gläu­bi­gen fei­er­te, verhaftet.

Don Lec Sahatx­hia war der letz­te Pries­ter von Breg. Nach der Aus­ru­fung Alba­ni­ens zum „ers­ten athe­is­ti­schen Staat der Welt“ im Jahr 1967 wur­den alle Kir­chen geschlos­sen, Kir­chen­gü­ter und Archi­ve zer­stört, die noch leben­den Pries­ter inhaf­tiert oder umge­bracht. „Don Lec Sahatx­hia wur­de bei einem Got­tes­dienst, den er heim­lich mit eini­gen Gläu­bi­gen fei­er­te, ver­haf­tet“, weiß Br. Andre­as. Der Pries­ter hat­te schon von 1947 bis 1960 in einem Straf­la­ger gelebt. Nach sei­ner erneu­ten Ver­haf­tung ver­liert sich jede Spur von ihm. Die wie­der­ent­deck­ten Gegen­stän­de erin­nern an ihn.

Und noch eine bewe­gen­de Geschich­te kann Br. Andre­as Wal­ter­mann erzäh­len. Es ist die Geschich­te einer stei­ner­nen Herz-Jesu-Figur. Die Sta­tue wur­de 1967 bei der Zer­stö­rung der Kir­chen­ein­rich­tung zer­schla­gen. Die Bewoh­ner von Kav­linaj, einem Dorf in der Nähe, nah­men die Bruch­stü­cke heim­lich mit und ver­steck­ten die Tei­le in einem Dor­nen­ge­strüpp. Der Kopf der Herz-Jesu-Figur wur­de von einer Frau aus Kav­linaj vie­le Jah­re unter ihrem Bett ver­steckt. „Er ist mitt­ler­wei­le ganz glatt, denn die Frau hat den Kopf Jesu abends oft in den Hän­den gehal­ten und damit gebe­tet“, schil­dert Br. Andre­as. „Im Jahr 2012 brach­ten die Bewoh­ner von Kav­linaj die vier Tei­le der Figur zu mir. Wir haben sie mit einem Stein­kle­ber wie­der zusammengefügt.“

Nach vie­len Jahr­zehn­ten im Ver­bor­ge­nen steht die Figur, die vom Mut alba­ni­scher Chris­tin­nen und Chris­ten zeugt, nun wie­der für alle zugäng­lich in der Kirche. 

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